Overtourism und Soziale Medien
Wandern

Verantwortungslose Touristen fluten die Berge.

St. Bartholomä, Königssee

Früher war nicht alles besser. Aber in den Bergen habe ich den Eindruck, dass vor wenigen Dekaden die meisten Wanderer und Bergsteiger mit mehr Verantwortungsgefühl unterwegs waren. Das betrifft die Verantwortung für ihre eigene Sicherheit, aber auch die Verantwortung für einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt.

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Overtourism und Soziale medien

Im Zeitalter des ungebremsten Konsumierens hat sich das Verhalten auch in den Bergen geändert. Viele Touristen steigen unvorbereitet und gedankenlos durch eine der letzten Naturlandschaften Europas, die Alpen. Und dass sie es tun, liegt immer häufiger auch an den sozialen Medien wie Instagram, Facebook, YouTube, TikTok & Co.

Fotos und Videos von besonderen optischen Highlights gehen viral und locken eine unfassbar große internationale Gemeinde an, die genau dieses Foto oder Video selbst machen will, um es wiederum in die Welt zu posten. Wer das skurril, merkwürdig oder gar bedenklich findet, muss nicht unbedingt ein Feind von Technik allgemein oder dem Internet im Speziellen sein. Denn dieser Ansturm führt objektiv zu massiven Problemen in nicht umsonst geschützten Naturlandschaften.

Wanden & Trekking. Beispiel Schrecksee

Ein Beispiel ist der Schrecksee im Allgäu. Er wird immer wieder zu einem der schönsten Seen Bayerns gekürt und bekam in der zurückliegenden Zeit daher immer wieder eine gewisse Aufmerksamkeit. Seit nun romantische Fotos vom Schrecksee auch in den sozialen Medien immer mehr Likes bekommen, ist der Besucheransturm aber nicht mehr zu verkraften.

Die Gemeinde Bad Hindelang, die sich ja normalerweise über Touristen freut, wird dieser Situation nicht mehr Herr. Und das liegt nicht nur an der absoluten Zahl der Besucher, sondern vor allem auch an deren rücksichtslosem Verhalten. Im Naturschutzgebiet wird Müll hinterlassen, oft sogar ganze Campingausrüstungen wie Billig-Zelte und Billig-Schlafsäcke, die dann von der Gemeinde entsorgt werden müssen. Dabei ist das Zelten hier aus Naturschutzgründen strengstens verboten.

Das Gleiche gilt für Lagerfeuer. Das wird nicht nur verbotenerweise angezündet, sondern dazu werden oft auch noch die Zaunpfähle der umliegenden Bergweiden herausgerissen und verbrannt. Drohnen surren lärmend durch den alpinen Himmel und Mountainbiker mit Helmkamera verschärfen mit Vollbremsungen im steilen Gelände die Erosion der anfälligen Berghänge. Und nicht zuletzt müssen Weideflächen immer wieder vom menschlichen Kot befreit werden, da dieser das Vieh krank macht. Vom der Menge an quasi unverrottbaren Tempotaschentüchern ganz zu schweigen ...

Wanden & Trekking. Polizeikontrolle auf Bergpfaden? Überwachungskamera am Berg?

Mittlerweile weiß man sich in Bad Hindelang nicht anders zu helfen, als ab und zu Polizisten auf den Wanderwegen zum Schrecksee auf Streife zu schicken. Sie versuchen, dort die geltenden Regeln durchzusetzen. Mit Hilfe von Kameras will man Wildcamper überführen. Seit 2020 ist ein Ranger am Schrecksee regelmäßig vor Ort, und viele Informationstafeln und Broschüren weisen auf die sensible Natur in der Umgebung hin. Der Erfolg dieser Maßnahmen hält sich angesichts der unkontrollierten Besucherflut in Grenzen.

Zur Zeit wird überlegt, ob man am Schrecksee zwei Gebietskümmerer stationieren kann, um das Problem des Overtourism hier dauerhaft in den Griff zu bekommen. Eine komplette Sperrung ist zurzeit rechtlich noch nicht möglich, da in der bayerischen Verfassung das Betretungsrecht der freien Natur garantiert ist. Die Bewegung auf Almen, in Wäldern, auf Bergen und an Seen soll der Allgemeinheit möglich sein. Nicht erst zu Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie wichtig ein Ausflug in die Natur für Körper und Geist sein können. Vielleicht sollten sich die Bucket-List-Touristen mal überlegen, ob sie mit ihrem Verhalten nicht eine Änderung dieser Freizügigkeit provozieren.

Wanden & Trekking. Naiv oder dreist? Oder Beides?

Beim Feiern von alpinen Hotspots bei Facebook, Instagram & Co. wird auch oft unterschlagen, dass der Aufstieg zum Traum-Foto-Stop oft aus einer veritablen Bergtour besteht. Zum sicheren Erreichen vieler Spots in den Alpen - das betrifft auch den Schrecksee - gehört ein gewisses Maß an alpiner Erfahrung und angepasster Ausrüstung.

Im November 2019 musste die (ehrenamtliche) Bergwacht mit einem Hubschrauber drei Wanderer im Bereich des Schrecksee retten. Ohne Erfahrung, alpine Kenntnisse und vernünftige Ausrüstung hätten sie die Nacht nicht überlebt, da sie sich auf den vereisten Wegen weder vorwärts, noch zurück bewegen konnten.

Anschließend fanden sie es aber offenbar nicht peinlich, ihr Abenteuer großspurig auf Tiktok zu präsentieren ...

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich habe nichts dagegen, dass man die Natur- und Kulturlandschaft der Alpen genießt. Aber das sollte man bewusst und verantwortungsvoll tun. Und ich habe auch fast nichts gegen Instagram/Facebook ... oder doch, habe ich doch! Auch wenn ich dort einen Account habe ...