Geschichte Südtirols
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Informationen und Stichworte zur Geschichte Tirols und Südtirols. Regional übergreifende Vorgänge siehe > Geschichte Italiens

Burg im Vinschgau

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Allgemeines & Spezielles

Vor allem die jüngere Geschichte Südtirols ist eng mit den historischen Abläufen in Italien verwoben. Um die Vorgänge in Südtirol besser einordnen zu können, siehe auch > Geschichte Italiens

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Vorgeschichte

12.000 - 10.000 v. Chr. erste Jagdexpeditionen in die Alpen durch den Chromagnon-Menschen (Homo sapiens)

ab 5000 v. Chr. Übergang zur Landwirtschaft, halbnomadische Brandrodung, erste Siedlungen der jungsteinzeitlichen Ackerbauern. Kurz danach auch Viehhaltung (Schaf, Ziege, Schwein, Rind).

Steinmännchen

3500 v. Chr.: Tod Ötzis. Metallgegenstände (Kupfer), Handelsgüter (Feuersteine).

2200 - 1900 v. Chr.: Einflüsse der Magalith-Kultur

ab 1800 v. Chr.: Bronzezeit. Wallburgen.

ab 800 v. Chr.: Eisenzeit

Kelten, Illyrer, Ligurer besiedeln den südlichen Alpenraum. Aus der Mischung von Kelten und Illyrern wurden die Räter.

Rodung des dichten Waldes für Besiedlung, erste Almwirtschaft.

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Römer-Zeit

41 - 15 v. Chr.: Die Römer erobern der südlichen Alpenraum (Trentino, Südtirol). Römische Siedler mischen sich mit der rätischen Urbevölkerung, so bildet sich die Gruppe der Rätoromanen. Es entsteht nach und nach eine alpenübergreifende Kultur.

46 n. Chr.: Die Via Claudia Augusta wird gebaut und verläuft von Augsburg über Südtirol nach Rom.

476 geht die römische Herrschaft zu Ende. Franken aus Nordwesten, Bajuwaren aus dem Norden und Langobarden (die sich im Verlauf der Völkerwanderung in Norditalien festgesetzt haben) drängen auf das heutige Südtirol.

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Mittelalter - Erster Weltkrieg

Der Gote Theoderich I, der Große, beherrschte von Verona aus auch weite Teile des südlichen Alpenraums. In der Sage Dietrich von Bern genannt kämpft er gegen König Laurin, der die rätisch-romanischen Völker vertritt. Diese werden durch die eindringenden Germanen in die abgelegenen Hochlagen verdrängt. Dort halten sich bis heute rätoromanische Sprachen wie Ladinisch, Friulanisch oder Rätoromanisch.

ab 8. Jh.: Im Mittelalter gehörte das von Bajuwaren, Langobarden und Rätoromanen besiedelte Tirol bis an die Poebene zum Herzogtum Bayern.

Vinschgau

Von den Grafen von Tirol von der Bozenen-Meraner Gegend ausgehend geeint, fällt es auf Grund eines Erbvertrages 1363 an das Haus Habsburg. Der Raum von der Bodenseegegend bis an Gardasee und Tauern war im bis 1806 bestehenden Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation integriert.

Die Dolomiten gingen aus der Völkerwanderung als ladinisches Sprachgebiet hervor, wurden aber mit der Entstehung Tirols und der Eingliederung des Trentino in das Heilige Römische Reich ab dem Mittelalter durch bajuwarische Siedler teilweise germanisiert, daneben stößt vom Süden her bis heute das Italienische vor.

1804 - 1867: Tirol wird Teil des Kaisertums Österreich, mit Unterbrechung in den napoleonischen Koalitionskriegen 1805 - 1814, als das Land zum größten Teil zum neuen Königreich Bayern gehörte. In diesen Zeitraum gehört auch die Geschichte um Andreas Hofer (Wikipedia) und sein Kampf gegen die bayerisch-napoleonischen Truppen.

1867-1918 Tirol ist Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.

Durch die Dolomiten verläuft während des ganzen hohen und späten Mittelalters sowie bis in die napoleonische Zeit die Grenze zwischen dem deutschen und dem italienischen Kulturraum. Auch zwischen 1866 und 1918 verlief hier die österreichisch-italienische Grenze. Sie folgte im Wesentlichen der heutigen Provinzgrenze zwischen Trentino-Südtirol und Venetien.

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Erster Weltkrieg 1914-1918

Während des Gebirgskriegs 1915-1918, als Italien auf Seiten der Entente im Ersten Weltkrieg kämpfte, war die Grenze Gebirgsfront. England und Frankreich hatten 1915 den Italienern die Gebiete bis zum Alpenhauptkamm versprochen, wenn sie auf Seiten der Entente in den Krieg eintreten würden.

Es gelang den Italienern allerdings nur, Cortina und Teile des Buchensteins zu besetzen, so dass die Front nach ihrer Stabilisierung in etwa vom Passo San Pellegrino über Marmolata, Col di Lana, Lagazuoi, die Tofanen, Hohe Gaisl, Schluderbach, Monte Piana, Drei Zinnen und Paternkofel zum Kreuzbergsattel verlief. Vielerorts sind noch Kriegsspuren zu sehen, insbesondere der durch Sprengung zum Einsturz gebrachte Gipfel des Col di Lana.

Vinschgau

1918 musste Österreich auf die südlichen Gebiete verzichten. Seit dem gehört Südtirol zu Italien. Damals war das heutige Südtirol von einer großen deutschsprachigen Mehrheit besiedelt. Laut der Volkszählung von 1910 sprachen 90  % deutsch, 4 % ladinisch und 3 % italienisch bei insgesamt 250.000 Einwohnern.

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Zwischenkriegszeit 1918-1939

Nach dem für Habsburg (Österreich-Ungarn) verlorenen Ersten Weltkrieg wurde das vornehmlich deutsch besiedelte Südtirol ebenso wie das vornehmlich italienisch besiedelte Welschtirol (Trentino) im November 1918 von Italien besetzt und auf Grund des Vertrages von St. Germain 1920 annektiert.

Obwohl die neue Republik Österreich das ganze deutschsprachige Tirol für sich beanspruchte und protestierte, wurde die Angliederung Deutsch-Südtirols an Italien gegen den Willen der dort ansässigen Bevölkerung besiegelt. England und Frankreich hatten bereits im Londoner Vertrag von 1915 Italien die Brennergrenze und andere Gebiete zugesichert, um den Kriegseintritt des 1914/1915 neutralen Königreichs an ihrer Seite zu erwirken.

Die deutschsprachigen Gebiete südlich des Brenners wurden mit dem vormaligen Welschtirol (Trentino) zu einer mehrheitlich italienischsprachigen Verwaltungseinheit (weitgehend deckungsgleich mit der heutigen Region Trentino-Südtirol) vereint.

König Viktor Emanuel III. hatte in seiner Thronrede 1919 versichert, der neuen Provinz eine "sorgfältige Wahrung der lokalen Institutionen und der Selbstverwaltung" zuzugestehen.

1921 konnten die Südtiroler zum ersten Mal an den Wahlen zum römischen Parlament teilnehmen. Der Deutsche Verband erreichte 90% der Stimmen im Lande und konnte vier Sitze in der Abgeordnetenkammer erlangen. Aber sämtliche Autonomiebestrebungen wurden aufgrund der sich dramatisch verändernden politischen Lage ausgebremst.

1921 kamen Schlägertrupps der italienischen Schwarzhemden (Mussolinis Faschisten) auch nach Südtirol, wo sie die Überbleibsel und Symbole der ihr "verhassten Doppelmonarchie" (etwa der Habsburger Doppeladler) zerstörten. Höhepunkt dieser Szenen war der sogenannte Bozner Blutsonntag, ein Übergriff auf einen Trachtenumzug in Bozen, bei dem der Marlinger Lehrer Franz Innerhofer ermordet wurde. Im Oktober 1922 zogen 700 italienische Faschisten nach Bozen und besetzten das Rathaus unter den Augen der Polizeikräfte, die dagegen nicht einschritten.

Mit der Machtergreifung von Benito Mussolini begann für die Südtiroler die Italienisierung. Besonders hart traf die Unterdrückung die ladinische Bevölkerung, zumal die italienische Nationalbewegung im Ladinischen einen italienischen Dialekt sah. Das Siedlungsgebiet der Ladiner wurde auf die drei Provinzen Bozen, Trient und Belluno aufgeteilt.

Seilbahngondel

ab 1923: Die folgenden Jahre trugen vor allem die Handschrift von Ettore Tolomei, einem Nationalisten aus dem Trentino, der sich die Italianisierung Südtirols zur Lebensaufgabe gemacht hatte. 1923 präsentierte er sein Programm zur Assimilierung Südtirols. Ab 1923 wurden sämtliche Orts- und Flurnamen italianisiert und die Verwendung des Namens Tirol verboten. Bereits 1916 hatte Tolemei den Prontuario herausgegeben, eine Liste, in der die Ortsnamen ins italienische übertragen wurden, teilweise neu ausgedacht, teilweise im Klang nachgeahmt (Ulten > Ultimo), teilweise Übersetzungen der gebräuchlichen deutschen Namen (Rosskopf > Monte Cavallo). Auch die deutschen Familiennamen der Bevölkerung waren in der Liste übersetzt.

1923 / 1925 Italienisch wurde zur einzig zugelassenen Amts- und Gerichtssprache. Sämtliche deutschsprachigen Zeitungen wurden verboten, mit Ausnahme der faschistischen Alpenzeitung, die erstmals 1926 und bis 1943 erschien. Ab 1927 durften die Dolomiten und einige andere Zeitschriften aus dem (damals) kirchlichen Verlagshaus Athesia wieder erscheinen.

ab 1924: Südtirol stand unter Militärprotektorat. Gebäude durften z. B. nur nach Zustimmung des Militärs errichtet werden.

1923: Im Zuge der faschistischen Schulreform wurde an allen Schulen die deutsche Sprache verboten. Kirchliche Schulen mussten sich ebenfalls fügen oder schließen. Einzig die Knabenseminare Vinzentinum in Brixen und Johanneum in Dorf Tirol konnten aufgrund der Lateranverträge von 1929 auf Deutsch weiterarbeiten.

1925/26 nahmen deutsche Geheimschulen (Katakombenschulen) ihre Tätigkeit auf.

1928: Zehn Jahre nach Kriegsende wurde in Bozen ein großes Siegesdenkmal errichtet, ein Monument typischer Herrschaftsarchitektur des italienischen Faschismus, das dem italienischen Sieg im Ersten Weltkrieg gewidmet wurde. Forderungen nach Beseitigung dieses Diktaturerbes führten nicht zu seinem Abbruch, so dass es bis heute von italienischen Neofaschisten als "Wallfahrtsort" genutzt wird. Denkmäler aus der österreichischen Kaiserzeit wurden hingegen konsequent zerstört bzw. abgetragen.

1928 begann die zweite Phase der Italienisierungspolitik. Da die bisherigen Bemühungen zum Tilgen der deutschen Sprache in Südtirol nicht von großem Erfolg gekrönt waren, wurde in Bozen ein großes Industriegebiet zur Ansiedlung von Italienern angelegt. Firmen erhielten großzügige Subventionen und Steuerbegünstigungen, wenn sie Niederlassungen in Bozen errichteten. So wurde innerhalb weniger Jahre die Einwohnerzahl Bozens durch italienische Zuwanderer vervielfacht: die Bevölkerung wuchs von 30.000 Einwohnern zur Jahrhundertwende auf zwischenzeitlich bis zu 120.000.

In dieser Zeit wurde auch der sog. Südtiroler Alpenwall errichtet, der Italien vor Feinden aus dem Norden schützen und die neuen Gebiete als integralen Bestandteil Italiens manifestieren sollte.

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Zweiter Weltkrieg 1939-1945

1938: Als Adolf Hitler seine österreichische Heimat an das Deutsche Reich anschließt, schöpfen viele Südtiroler neue Hoffnung auf Lösung vom italienischen Staat und Wiedervereinigung mit dem übrigen Tirol.

Die Enttäuschung folgt, als Details über das Hitler-Mussolini-Abkommen (1939) bekannt werden. Danach sollten die Einwohner Südtirols optieren, d.h. sie wählen zwischen Verlassen der Heimat und Reichsbürgerschaft in Deutschland oder italienischer Staatsbürgerschaft. Viele Tiroler glaubten, bei Option für Italien in Gebiete südlich des Po deportiert zu werden. Später stellte sich heraus, dass dies eine gezielte Lüge des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels war.

Sankt Jakob, Grödnertal

Rund 86 % der deutschen Bevölkerung Südtirols entschieden sich für die Umsiedlung ins Reich. Damit hatten allerdings weder die italienischen Faschisten noch Hitler gerechnet. Tatsächlich ausgewandert sind bis zum Sturz des Diktators Mussolini ca. 80.000 Südtiroler, von denen bis nach dem Krieg 50.000 wieder zurückkehrten. Noch heute gibt es z. B. im Harz einen Ort, der von den Südtirolern und ihren Nachkommen bewohnt wird.

1943: Nach dem Sturz Mussolinis und der Auflösung des Verbündetenstatus, dem folgenden Einmarsch der Wehrmacht und der Errichtung der Operationszone Alpenvorland wurden die Auswanderung der Optanten und die Zuwanderung von Italienern beendet. Der Einzug der deutschen Truppen wurde daher in Südtirol zunächst mit Begeisterung aufgenommen.

Die NSDAP war in Südtirol nie zugelassen worden, sehr wohl aber der NSDAP nahestehende Verbände wie der Völkische Kampfring Südtirols (VKS). Auch hier fand der Nationalsozialismus, auch über das eigene Heimatanliegen hinaus, seine Unterstützer. So waren auch einige deutsche Südtiroler in Kriegsverbrechen verwickelt. Widerstand gegen die Hitler-Diktatur kam selten vor, lediglich einige wenige Gruppen wendeten sich gegen das Regime. Es kam in der Zeit, und sogar noch nach dem Krieg, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Dableibern und Optanten.

1943 - 1945, als die Nationalsozialisten das Land beherrschten, waren mehr Todesopfer zu beklagen als während der Zeit des faschistischen italienischen Regimes von 1922 bis 1942. Der Zweite Weltkrieg hatte auch Südtirol voll erreicht. Viele Südtiroler kämpften in der Wehrmacht.

1945: Kurz nach Kriegsende hisste die italienische Widerstandsbewegung CLN (Comitato di Liberazione Nazionale, Komitee zur nationalen Befreiung) am Brenner wieder die italienische Fahne.

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Wiederaufbau und Kampf um Autonomie 1945-1972

1946: Nach dem 2. Weltkrieg hegten viele Südtiroler erneut Hoffnungen, eine Wiedervereinigung mit Nordtirol im Zuge einer absehbaren staatlichen Neugründung Österreichs zu erreichen. Auf Initiative der neu gegründeten Südtiroler Volkspartei wurden hierfür 155.000 Unterschriften gesammelt und dem österreichischen Bundeskanzler übergeben. Da Österreich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht die volle staatliche Souveränität von den alliierten Siegermächten zurückerhalten hatte, war die Verhandlungsposition der österreichischen Delegation gegenüber Italien bei den Friedensverhandlungen 1946 in Paris geschwächt.

Gemälde Schäfer und Schafe

Am Rande der Friedensverhandlungen wurde hinsichtlich der Südtirolfrage zwischen Italien und Österreich schließlich das sogenannte Gruber-De-Gasperi-Abkommen unterzeichnet. Italien, das als Folge des Krieges bereits die Halbinsel Istrien und die Städte Fiume/Rijeka und Zara/Zadar an Jugoslawien hatte abtreten müssen, wurde bei diesen Verhandlungen das Gebiet Südtirols erneut zugesprochen. Der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerungsmehrheit in der Region wurden von Seiten Italiens allerdings autonome Grundrechte zugesichert. Österreich wurde als Schutzmacht der Südtiroler Bevölkerung in Italien anerkannt.

Nach Errichtung der autonomen Region Trentino-Alto Adige im Jahr 1948, welche neben dem Gebiet Südtirols auch die mehrheitlich italienischsprachig bevölkerte Provinz Trentino umfasste, wurde die Umsetzung wesentlicher Punkte des Pariser Vertrages von der italienischen Zentralregierung bewusst verzögert, was zu stetig steigendem Unmut der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler gegenüber diesem ersten Autonomiestatut führte.

Besonders umstritten war in jenen Jahren die von der italienischen Regierung geförderte Zuwanderung von italienischen Arbeitsmigranten, die 1957 ihren Höhepunkt erreichte, als für diese Menschen 5.000 Wohnungen in Südtirol errichtet werden sollten. Vertreter der Südtiroler befürchteten eine fortschreitende Marginalisierung der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerungsmehrheit. Auf der größten Kundgebung in der Geschichte Südtirols auf Schloss Sigmundskron versammelten sich rund 35.000 Südtiroler und forderte eine Loslösung der Provinz Bozen (Südtirol) von der Provinz Trient, womit sie erstmals auch ein internationales Interesse für die Südtirol-Frage wecken konnte.

1955: Mit der endgültigen Neugründung Österreichs erhielt die Südtiroler Volkspartei erneut verstärkte Unterstützung von Seiten der Österreichischen Regierung. Diese erreichte im Sinne der Südtiroler einen ersten Teilerfolg, als die versäumte Umsetzung des Pariser Vertrags 1960 erstmals als Thema auf die Tagesordnung der UN-Vollversammlung gesetzt wurde. Mit einer UN-Resolution vom Oktober 1960 wurde dabei festgestellt, dass die Umsetzung des Pariser Vertrags für Italien bindend sei.

Parallel zu den diplomatischen Verhandlungen war es bereits ab 1956 zu einer Serie von Bombenattentaten gekommen, die anfänglich (bis 1961) vom BAS, später von neonazistischen Kreisen aus dem deutschsprachigen Ausland durchgeführt worden waren, wobei diese Gruppen für die Loslösung Südtirols von Italien eintraten.

Fiat 500

Während die Anschläge in den ersten Jahren weitgehend auf die Zerstörung von Sacheigentum abzielten (Strommasten, italienische Wohnbauten), richtete sich die Gewalt sogenannter "Südtirol-Aktivisten" zunehmend auch gegen Menschen, nachdem die ursprüngliche BAS-Gruppe fast vollständig inhaftiert worden war. Insgesamt wurden von 1956 bis 1988 361 Anschläge gezählt, bei denen Sprengstoff, Maschinengewehre und Minen eingesetzt wurden. Dabei wurden 21 Tote registriert, davon 15 Staatsvertreter, zwei Zivilisten und vier Mitglieder des BAS, die bei der Vorbereitung eines Bombenattentats getötet wurden.

Zur Eskalation der Gewalt trugen ab 1961 auch die italienischen Behörden bei. Neben Folterungen von verhafteten BAS-Aktivisten durch die Carabinieri operierten auch bald der italienische Militärgeheimdienst und die paramilitärische Geheimorganisation Gladio in Südtirol, um mit gewalttätigen Provokationen die politischen Spannungen zu verschärfen und dadurch die Verhandlungsposition der deutschsprachigen Südtiroler zu schwächen.

Unter dem Schlagwort Südtirol-Paket wurden nach langwierigen Verhandlungen 1969 viele Maßnahmen von der Generalversammlung der Südtiroler Volkspartei, vom österreichischen Nationalrat und vom italienischen Parlament genehmigt, womit das sogenannte Zweite Autonomiestatut für Südtirol im Jahr 1972 als Verfassungsgesetz in Kraft treten konnte. Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte wurde es schrittweise umgesetzt.

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Autonomie seit 1972

Im Zeitraum von 1972 bis 1992 waren nach und nach alle Paketbestimmungen, wie im "Operationskalender" vereinbart, in die Tat umgesetzt worden.

Durch den ethnischen Proporz kann seither eine gerechte Verteilung der Stellen in der öffentlichen Verwaltung - noch im Jahre 1972 waren 90 Prozent der Beamten italienischer Muttersprache - gewährleistet werden, sowie eine der Sprachgruppenstärke angemessene Verteilung von Sozialwohnungen erfolgen. Die Selbstverwaltung, wie sie im ursprünglichen Gruber-De-Gasperi-Abkommen vorgesehen war, ist umgesetzt worden.

Wesentlich sind auch die beträchtlichen finanziellen Mittel, die dem Land Südtirol vertragsgemäß zustehen und effizient eingesetzt werden. Landeshauptmann Luis Durnwalder wurde 2006 für seinen Einsatz für eine umsichtige und vorausschauende Haushaltspolitik mit dem "European Taxpayers' Award" ausgezeichnet.

Vermessungsmarke

Dank der Europäischen Union und der Einrichtung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino verschwinden die politischen Grenzen zwischen den Gebieten des historischen Tirols immer mehr: Grenzposten und Grenzkontrollen gibt es de facto schon seit Jahren nicht mehr. Darüber hinaus trägt der Euro als gemeinsame Währung zum wirtschaftlichen Zusammenwachsen der gesamten Region bei.

2007: Das Gebiet der ladinischsprachigen Bevölkerung um Cortina d'Ampezzo, das von den Faschisten an die Provinz Belluno angeschlossen wurde, hat dafür gestimmt, wieder an Südtirol angegliedert zu werden. Letztendlich wird das italienische Parlament über die Wiederherstellung der historischen Grenzen entscheiden.

Aufgrund der besonderen Schutzmaßnahmen für die deutsche und ladinische Bevölkerung gilt Südtirol als Modellregion für die Autonomie von ethnischen Minderheiten, so dass sich nach einer konfliktreichen Vergangenheit ein friedliches Nebeneinander aller Bevölkerungsgruppen herauskristallisieren konnte.

Ein echtes Miteinander gibt es trotzdem nicht. Die Trennung der Bevölkerungsgruppen wird vor allem durch das Schulsystem, aber auch durch die Konzentration der Italiener auf die größeren Ortschaften gefördert. Aus verschiedenen Gründen ist das Unbehagen ("Disagio") vieler Italiener vor der Südtiroler Autonomie nicht zurückgegangen. Ihre Herkunft aus den verschiedensten Regionen Italiens hat die Bildung einer starken gemeinsamen Identität beeinträchtigt. Zudem beherrschen viele die deutsche Sprache (ganz zu schweigen vom Südtiroler Dialekt) nur schlecht.

Seit Einführung des Proporzes ist auch der öffentliche Dienst keine rein italienische Domäne mehr. Gewisse Spannungen zwischen den Sprachgruppen sind daher geblieben. In den 80er Jahren profitierte das neofaschistische Movimento Sociale vom Unmut der Italiener und konnte vor allem in Bozen beträchtliche Wahlerfolge erzielen. Heutzutage sind ihre Stimmen auf zahlreiche Parteien verstreut, was eine starke politische Vertretung verhindert. Das schlägt sich zum Beispiel darin nieder, dass von Südtirols 2.030 Gemeinderäten nur 8  %, der italienischen Sprachgruppe angehören, obwohl diese 27 % der Gesamtbevölkerung stellt.

2001 beschloss der Gemeinderat der Stadt Bozen, den Siegesplatz, an dem sich das Siegesdenkmal Mussolinis befindet, in Friedensplatz umzubenennen. Die Umbenennung sollte ein Zeichen der Versöhnung zwischen den Südtiroler Sprachgruppen sein. Die Alleanza Nazionale und die nationalistische Unitalia sahen darin aber einen Versuch, die Stadt Bozen ihrer heute "italienischen Identität" zu berauben, und konnten infolge einer Unterschriftenaktion eine Volksbefragung erzwingen, deren Ergebnis schließlich unerwartet deutlich ausfiel: 62 Prozent befürworteten eine Rückbenennung in Siegesplatz.

2006: Für Unmut sorgte die im Jahr von den Schützen initiierte Petition der Südtiroler Bürgermeister an das österreichische Parlament, die Schutzmachtfunktion Österreichs verfassungsmäßig zu verankern.

In der deutschsprachigen und ladinischen Südtiroler Bevölkerung gibt es weiterhin Bestrebungen, sich von der Zugehörigkeit zum italienischen Staat zu lösen.

Auf der anderen Seite ist insbesondere die finanzielle Autonomie Südtirols von Seiten italienischer Politiker immer wieder in die Kritik geraten, weil sich das Land anders als die Nachbarregionen nicht angemessen an den Transferzahlungen für den unterentwickelten Süden Italiens beteilige. Der ehemalige Präsident der Region Venetien sprach offen von "überholten Autonomie-Privilegien" und drohte, den italienischen Verfassungsgerichtshof und sogar den Europäischen Gerichtshof anzurufen.

Die Südtiroler Volkspartei musste bei den Parlamentswahlen 2008 empfindliche Stimmenverluste verbuchen und konnte nur noch 46 % der Stimmen auf sich vereinen. Bei den Landtagswahlen im Herbst konnte die SVP aber knapp die absolute Mehrheit der Mandate verteidigen.

2009 forderten österreichische FPÖ-Politiker eine Volksabstimmung über eine Rückkehr Südtirols zu Österreich. Südtirols Landeshauptmann Durnwalder bezeichnete den Vorstoß Grafs als "unrealistisch und unverantwortlich".

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Literaturtipps Südtirol Geschichte

Wanden & Trekking. Geschichte Südtirols (C. H. Beck):

"Don't judge a book by its cover" heißt es in der Rocky Horror Picture Show. Trotzdem ist bei diesem Buch schon die Form eine praktische Sache. Denn viele Reisende werden, wie ich, die Geschichte Südtirols in ihren Rucksack packen und vor Ort lesen wollen. Und selbst bei Trekking- oder Hüttentouren fällt dieses Taschenbuch mit seinem gut 200 Gramm kaum ins Gewicht. Trotzdem ist es erstaunlich, wie viele Informationen die Autoren Brigitte Mazohl und Rolf Steininger dem Leser hier vermitteln.

Der geschichtliche Bogen spannt sich vom Ende der Eiszeiten über Römer, Bajuwaren und Langobarden zu den Habsburgern, den Weltkriegen und der modernen Europaregion Südtirol-Trentino. Beim Lesen werden die enorm wechselvolle Geschichte und die außerordentlich reichhaltigen kulturellen Wurzeln dieser südlichen Alpenregion deutlich.

Kloster Marienberg, Burgeis, Vinschgau

Die Lage auf der Schnittstelle zwischen dem mediterranen Raum und Mitteleuropa brachte und bringt für Südtirol viele Vorteile, aber auch viele Konflikte mit sich. In kaum einer Region der Alpen finden sich so viele gut erhaltene, spektakuläre Burgen. Aber hier gibt es auch die traurigen Überbleibsel der beiden Weltkriege. Gebirgsstellungen und Grenzbefestigungen sind heute interessante Ziele für Bergwanderungen und Klettertouren.

Obst, Wein und Handel, aber auch Silberbergbau, Marmorbrüche und sogar Seidenproduktion haben die Region reich gemacht. Und heute gehört sie auch wegen ihrer Geschichte zu den attraktivsten Reiseziele Europas.

Ach ja ... da waren ja auch noch viele einzelne Namen, die in die Geschichte Tirols gehören. Der berühmteste Südtiroler war lange Zeit der Freiheitskämpfer Andreas Hofer, bis ihm von einem Herren mit dem Spitznamen Ötzi der Rang abgelaufen wurde.

Viele Leser wussten sicher schon vorher um die eine oder andere Begebenheit aus der Geschichte Südtirols. Mit diesem Buch bekommt man aber einen roten Faden, an dem sich das Inselwissen zu einem kompletten Netz verknüpfen lässt. Dazu werden, und das ist sehr hilfreich, auch Begebenheiten aufgegriffen, die weit außerhalb der Grenzen Südtirols liegen.

Der Schreibstil der beiden Historiker ist sachlich gehalten, ohne langweilig zu sein. Im Anhang werden sogar sechs Karten abgedruckt, in denen der Leser wichtige Vorgänge auch räumlich gut zuordnen kann.

Fazit: Dieses Buch hilft dem interessierten Leser, die geschichtliche Entwicklung und auch viele der heutigen politischen Einstellungen in Südtirol besser zu verstehen und ein Gesamtbild der beliebten Reiseregionen zu malen. Durch seine kompakte Taschenbuchform mit rund 290 Seiten passt es in jedem Rucksack und jede Reisetasche und ist außerdem entspannt und flüssig - auf dem Hotelbalkon oder vor der Berghütte - zu lesen. Erhältlich bei Amazon unter > Geschichte Südtirols.

Wanden & Trekking. Eva schläft (Francesca Melandri) - Roman vor dem Hintergrund der Geschichte Südtirols:

Das Buch Eva schläft von Francesca Melandri spannt große Bögen. In der Rahmengeschichte fährt eine Frau vom äußersten Norden Italiens in den äußersten Süden. Währenddessen erzählt sie aus der Rückschau ihre Lebensgeschichte und die Geschichte ihrer Familie. Diese spielt im Wesentlichen in Südtirol in der Zeit, seit diese Gebirgsregion nach dem Zweiten Weltkrieg Italien zugesprochen wurde.

Die Familiengeschichte ist eng mit den historischen und politischen Entwicklungen verwoben. Auf diese Weise erfährt der Leser spannend und ohne Belehrungen viel über die ambivalente Geschichte von Italienern und Südtirolern. Dabei schildert die Italienerin Francesca Melandri das Leid beider Seiten sehr einfühlsam und ohne Partei zu ergreifen. So ist dieses Buch auch ein Appell zu versöhnlichen Lösungen politischer Konflikte.

Fazit: Der Roman Eva schläft ist besonders empfehlenswert für alle, die gern mehr über die Geschichte Südtirols und Italiens erfahren wollen, ohne trockene, wissenschaftliche Abhandlungen zu lesen. Das Buch ist spannend geschrieben und fesselt den Leser. Besonders bewegend ist die Lektüre natürlich, wenn man sie vor Ort liest, aber auch, und wenn man eine Reise nach Südtirol plant oder gerade von ihr zurück kommt. Erhältlich unter > Eva schläft

Berghof Südtirol

Wanden & Trekking. Weitere Bücher zur Geschichte Südtirols:

Auf alten Kriegspfaden durch die Dolomiten: 30 spektakuläre Wanderungen auf historischen Wegen. Eugen E. Hüsler, Bruckmann.  

Die Erben der Einsamkeit: Reise zu den Bergbauernhöfen Südtirols. Interessantes Buch mit viele alten Fotos über die Bergbauernhöfe und das Leben dort zwischen Vergangenheit und Zukunft. Empfehlenswert!  

Schüttelbrot und Wasserwosser: Wege und Geschichten zwischen Ortler und Meran - Wandern im Vinschgau. Rezension unter > Vinschgau.

Bücher über den Dolomitenkrieg 

Buch: Die Geschichte der Dolomiten

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Geschichte Italiens

siehe > Geschichte Italiens